Patellaluxation aus der Sicht des Züchters
 (Lorena Galanti, eigene Meinung ohne wissenschaftlichen Anspruch)

Was ist Patellaluxation?

Auf die durch Unfall erworbene Patellaluxation, die hauptsächlich größere Rassen betrifft, wird in diesem Aufsatz nicht weiter eingegangen. Die Patellaluxation (PL), bzw. die Verlagerung der Kniescheibe, die  hauptsächlich Klein- und Zwerghunde jeder Rasse und Hunde mit steiler Hinterhand wie Chow-Chows betrifft, ist ein erblicher Defekt. Die Kniescheibe ist bei den betroffenen Hunden luxierbar, d.h. sie verbleibt nicht am vorgesehen Platz, sondern verlagert sich durch leichten Druck oder ganz von selbst nach außen oder innen (lateral/medial). Dieser Zustand kann vorübergehend oder dauerhaft auftreten, manchmal Lahmheit und Schmerzen verursachen, meist aber nicht, und oft sogar symptomlos bleiben. Zur Befundung werden die Kniegelenke von zertifizierten Patella-Untersuchern manuell im Stehen und Liegen abgetastet und der Hund im Laufen bewertet. Röntgenaufnahmen des Kniegelenkes sind zur Diagnose und Gradeinteilung nicht geeignet, sie sollten aber angefertigt werden, wenn eine Operation in Erwägung gezogen wird, um die richtige Operationsmethode festzulegen.

Die PL wird in 4 Grade eingeteilt, als PL 0 bezeichnet man Hunde, die frei von Patellaluxation sind.  
    Grad 1:  Es besteht eine habituelle (wiederkehrende) Luxation, durch Druck kann die Kniescheibe in Beuge- und Streckbewegung luxiert werden, sie gleitet bei nachlassendem Druck aber spontan in die Trochlea ossis femoris (Patellagleitlager/ Rollfurche) zurück.
    Grad 2:  Die Patella kann durch den Untersucher oder das Tier selbst bei gestrecktem Knie luxiert werden – sie gleitet nicht selbständig, sondern durch aktiven Druck oder passive Beugung oder Streckung des Kniegelenks in die Rollfurche zurück.
    Grad 3:  Die Kniescheibe ist permanent nach medial oder lateral luxiert, durch Druck kann sie in das Gleitlager zurückverlagert werden, bei nachlassendem Druck reluxiert die Patella wieder in ihre Ausgangsstellung.
    Grad 4:  Die Patella ist permanent stationär luxiert, eine Reposition ist nicht möglich

 Anatomische Ursachen für die Verlagerung der Kniescheibe sind

  •  Mangelhaft bis gar nicht ausgebildete Patellagleitlager/Rollfurche, bzw. zu wenig hohe Rollkämme, d.h. das Gleitlager, in der die Kniescheibe hin- und herbewegt wird, ist nicht tief genug.
  • Zu kleine oder zu große Kniescheibe, die nicht richtig in die Rollfurche passt.
  • Achsenfehlstellungen der Hinterbeine (O- und X). Dadurch wird die Kniescheibe bei Bewegung schräg zur Rollfurche gezogen, wodurch es auf Dauer zu Überdehnung der Seitenbänder kommt.
  • Bei 0-Beinen springt die Kniescheibe nach innen und bei X- Beinen   nach  außen  heraus.
  •  Durch obige Fehler kann es zu einer falschen Zugrichtung des Musculus quadriceps femoris (der aus vier Muskelsträngen besteht) kommen, was zur Verlagerung der Kniescheibe führt.
  •  Falscher Muskelansatzpunkt
  • Mangelhafte Muskulatur.
  • Schäden an Hüfte und/oder Wirbelsäule treten nicht selten in Kombination mit insbesondere schwerer Patellaluxation auf, wobei nicht immer zu klären ist, ob das eine die Folge des anderen ist oder umgekehrt, daher sollten immer auch Hüfte und Wirbelsäule bei der Untersuchung gründlich miteinbezogen werden.
  • Schwaches Bindegewebe, dadurch Ausleiern der Bänder/Sehnen und Gelenkskapsel, und fehlender Halt für die Kniescheibe.
  • Schäden an Hüfte und/oder Wirbelsäule treten nicht selten in Kombination mit insbesondere schwerer Patellaluxation auf, wobei nicht immer zu klären ist, ob das eine die Folge des anderen ist oder umgekehrt, daher sollten immer auch Hüfte und Wirbelsäule bei der Untersuchung gründlich miteinbezogen werden.
  •  Schwaches Bindegewebe, dadurch Ausleiern der Bänder/Sehnen und Gelenkskapsel, und fehlender Halt für die Kniescheibe.

Ursachen

Die Ursachen für eine Patellaluxation sind zum Großteil genetischer, zum Teil aber auch umweltbedingter Natur. Eine Kombination aus beiden Faktoren (Gene und Umwelt) ist selbstverständlich möglich und evtl. auch für die besonders schweren Fälle mitverantwortlich.

    D.h. eine Bindegewebsschwäche kann genetischen Ursprungs sein, ebenso aber eine Folge falscher Ernährung und falscher Haltung.
    Ein mangelhaft ausgebildeter Rollkamm kann genetischen Ursprungs sein, ebenso
    aber eine Folge mangelhafter Ernährung oder falscher Haltung während des Wachstums.

    Ein X- oder O-Bein kann ebenso genetischen Ursprungs sein, aber auch eine Folge aus mangelhafter Ernährung und falscher Haltung während des Wachstums. 

 

Behandlung

Trotzdem sind dies erstmal alarmierende Zahlen, man muss dabei aber berücksichtigen, dass die überwiegende Zahl der PL-Fälle lediglich leichten Grades sind und nur wenige davon
überhaupt wirklich ein Krankheitsbild zeigen, das einer Behandlung bzw. einer Operation bedarf. Bedenken sollte man auch, dass es zum Teil operationswütige Tierärzte gibt, die bereits eine PL 1 völlig unnötiger Weise operieren und damit das Tier dem Risiko aussetzen, nach der OP schlechter zu laufen als vorher, womöglich irreversibel. Eine zweite Meinung eines Spezialisten einzuholen ist in jedem Fall ratsam, auch sollte, wenn operiert werden muss, nur von einem Spezialisten operiert werden.

Auch wenn es trotz dem hohen Befall relativ wenige behandlungsbedürftige PL-Fälle gibt, ist dies längst kein Grund, sich zurückzulehnen als Züchter. Kein Züchter kann heute garantieren, nur PL-freie Welpen (bis ins Alter) zu züchten, höchstens, dass der Hund zum Zeitpunkt der Übergabe patellaluxationsfrei ist und seine Zuchttiere ebenfalls. Selbstverständlich sollte man als Züchter bestrebt sein, Verpaarungen möglichst so zu wählen, dass Elterntiere und möglichst viele Ahnen bis ins hohe Alter patellaluxationsfrei sind oder waren und dass man nach den heutigen Erkenntnissen sein Möglichstes tut, um Nachwuchs zu züchten, der keine Probleme mit der Kniescheibe bekommt, dies fordert übrigens auch das Qualzuchtgesetz. Leider ist es aber so, dass selbst patellaluxationsfreie Eltern, Großeltern etc, keine garantiert patellaluxationsfreie Welpen zeugen, wie ja auch die Studien an den schweizerischen Papillons ergeben hat. Die Bezeichnung "patellaluxationsfreie Zucht" kann sich daher lediglich immer nur darauf beziehen, dass der Zuchtbestand patellaluxationsfrei ist zum Zeitpunkt der Untersuchung.

Es wäre vermutlich wichtig zu unterscheiden, ob es sich um eine knochenbedingte Ursache für die PL handelt oder eine rein bindegewebliche Ursache, was allerdings oft nicht leicht zu differenzieren ist und nicht selten auch als Mischform vorliegt. Eine rein bindegewebliche Ursache scheint keine schweren Formen von PL zu verursachen, die operiert oder behandelt werden müssen. Die Hunde zeigen in der Regel weder Schmerzen noch Lahmheiten, sind nicht im Bewegungsablauf beeinträchtigt.

Eine Operation von Hunden mit PL, die keine Schmerzen verursacht, ist nach Ansicht einiger Experten zumindest bei leicht gebauten Kleinhunden falsch. Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass man nur dann operieren sollte, wenn der Hund deutlich an Schmerzen leidet, da man ansonsten Gefahr läuft, dass der Hund nach der Operation mehr beeinträchtigt ist, als zuvor. Das gelegentliche Liften des Beines bei sonst vergnügtem Herumtoben und Springen ist nicht zwangsläufig ein Zeichen von Schmerzen, sondern meist nur eine kurzfristige schmerzlose Blockade des Gelenkes, sofern der Hund ansonsten unverändert lauf- und sprungfreudig ist. Leicht gebaute Zwergrassen entwickeln aufgrund ihres geringen Gewichtes bei genügend Bewegung (wer rastet, der rostet) kaum Arthrosen, eine vorbeugende OP ist daher nicht vorbehaltlos zu empfehlen, sondern immer im Einzelfall sehr gründlich und gewissenhaft abzuwägen. Allerdings ist dies bei schwergewichtigen Rassen und übergewichtigen Hunden anders zu bewerten, ein Mops muss ggf. durchaus schon bei einer leichten PL operiert werden, um einer Arthrose vorzubeugen. Insbesondere junge Hunde, die noch im Wachstum sind, laufen bei voreiliger Operation Gefahr, dass diese nicht von dauerhaftem Erfolg gekrönt ist, da sich durch das Wachstum wieder Veränderungen an Knochen, Muskulatur und Bändern ergeben können. Außerdem ist es bei lebhaften Junghunden auch problematisch, die zwingend nötige Schonung nach der OP strikt einzuhalten, was ebenfalls den Erfolg der OP gefährdet. Auch bei alten Hunden, die bereits an Herz etc. erkrankt sind, sollte man gut abwägen, ob der Nutzen vor dem Schaden steht und man ggf. nicht mit einer konservativen Therapie besser fährt. Ebenso ist nicht unerheblich, ob es sich um eine gravierende Achsenfehlstellung handelt, oder nur um leichte, die sich ggf. im weiteren Wachstum bei richtiger Ernährung und Auslauf noch ausgleichen kann. Ob also eine Operation notwendig ist, richtet sich nach Schmerzzustand, Alter und den anatomischen Gegebenheiten.

Als Operationsmethoden kämen Gelenkkapselraffung, Vertiefung des Patellagleitlagers, Korrektur der Achsenfehlstellung, eine Verlegung des Muskels quadrizeps femoris etc. und Kombinationen daraus in Frage. Die Nachsorge sollte strikt nach den Anweisungen des Tierarztes erfolgen, zusätzlicher gezielter Muskelaufbau (Bergauflaufen, schwimmen) zu gegebener Zeit in Absprache mit dem Tierarzt ist ratsam. Von der Gabe von Hormonen/Anabolika zum Muskelaufbau möchte ich abraten, da die Nebenwirkungen und Spätfolgen nicht überschaubar sind.

Um einer OP vorzubeugen, kann man Hündinnen zum Zeitpunkt der Läufigkeit und (Schein-) Trächtigkeit täglich einen Teelöffel Kieselerde unter das Futter mischen und Übergewicht tunlichst vermeiden. Bei bestehender leichter Patellaluxation kann man mit  Grünlippmuschelextrakt, Gelatine, Glukosamine, MSM und Chondroitin einer Arthrose und schmerzhaften Gelenksveränderungen vorbeugen.